Samstag, 21. April 2018

Schone die Umwelt - fahre Bus! Teil 1

Der Passat tut das, was er tun soll, er fährt. Und zwar problemlos. Da gibt es nicht viel zu tun, ergo gibt es hier auch nicht viel zu schreiben. Das ist schon erstaunlich, denn die Rahmenbedingungen sind wirklich schlecht. Einziges Problem, das ich immer wieder habe, ist die Klimaanlage. Ohne geht es hier im Sommer bei Temperaturen über 40 Grad gar nicht. Alle 6 Monate brauche ich eine neue Füllung. Ich traue es mich kaum schreiben, aber bei dem, was hier eine Füllung kostet, habe ich gar keine allzu große Motivation, mich auf die Fehlersuche zu begeben.
So ganz ohne Autoschrauben geht es aber auf Dauer auch nicht. Das war am Anfang ganz ok, je länger ich hier bin, umso mehr fehlt mir das Hobby. Also habe ich mich auf die Suche nach einer Garage gemacht. Klingt einfach, ist aber in einem Mega-Ballungsraum wie Kairo, in dem jeder freie Quadratzentimeter als Wohnraum Verwendung findet, gar nicht so einfach. Wen fragt man, wenn man so eine Immobilie sucht? Am besten den Friseur, der kennt jeden. So habe ich das dann auch gemacht und hatte den richtigen Riecher. Keine 50 Meter von meiner Wohnung entfernt kann ich eine Garage mitbenutzen. Nicht ganz das, was ich gesucht habe, aber für's Erste schon mal gar nicht so schlecht.

 
Tagsüber ist sie bewacht, für die Wochenenden und abends habe ich mit dem Bawab des Nachbarhauses Freundschaft geschlossen. Der sorgt dafür, dass mich da keiner zuparkt, bzw. weiß immer, wem das Auto gehört. Parkraum ist knapp.

In der Schule konnte ich eine ausrangierte Werkbank mitnehmen, für das Werkzeug habe ich mir einen abschließbaren Stahlschrank gekauft.


Werkzeug ist auch so eine Sache. Es gibt nicht alles, bzw. weiß ich auch nicht immer, wo ich was bekommen kann. Einige Dinge habe ich aus Deutschland mitgebracht, bzw. mitbringen lassen, so zum Beispiel einen Schlagschrauber oder ein Bremsenentlüftungsgerät. Aller Anfang ist schwer, aber so nach und nach füllt sich die Werkzeugkiste.


Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein passendes Objekt zum Schrauben. Hier in Giza fahren massenweise alte T2 herum, die als Minibusse für die Personenbeförderung genutzt werden. Sie versammeln sich jeden Abend in der Universitätsstraße bei mir um die Ecke, da geht einem richtig das Herz auf. Als ich hier angekommen bin, dache ich mir, so einen musst du haben. Kann ja nicht so schwer sein. Also bin ich auf Automärkte gegangen, habe mich umgehört, meinen Fahrer mit der Suche beauftragt, aber alles blieb ohne Erfolg. Ich habe die Idee notgedrungen erst einmal begraben und dann ist mir das irgendwie aus dem Sinn gekommen.
Bis vor etwa acht Wochen. Unser Schulleiter kam zu mir und meinte, ihm sei ein T2 angeboten worden und ob ich mir den mal anschauen könnte.



Zumindest war schon mal klar, dass er technisch gut in Schuss sein muss, sonst hätte er die Strecke nach Sharm El Sheikh nicht gepackt. Allerdings war der Wagen vom Blech her nicht so extrem gut und so konnte ich ihm vom Kauf nur abraten. Hat also nicht geklappt, aber das war der Startschuss für die lange Odyssee und ein einmaliges, aber nervenaufreibendes Erlebnis Autokauf auf arabisch, das ich aber nicht missen möchte. Und vorenthalten möchte ich Euch das auch nicht.

Auf dem Rückweg heim zu mir kam mir dann die Idee, dass wir mal in die Universitätsstraße fahren, wo die ganzen T2s stehen. Wir kamen zur richtigen Zeit, da hatten sich um die 50 Stück versammelt. Ohne große Berührungsängste haben wir uns mitten unter die Busfahrer begeben und auch direkt einen angesprochen, dessen Auto besonders gepflegt war. Er stellte sich uns als Mohamed Fox vor, meinte, er könnte uns da vielleicht schon helfen, machte aber zugegebenermaßen einen etwas verpeilten Eindruck und ich habe da nicht sonderlich viel erwartet. Es wurden noch schnell die Telefonnummern ausgetauscht, bevor das ganz große Kino begann. Als Ausländer inmitten von ägyptischen Minibusfahrern fällt man auf und so standen wir plötzlich mitten in einer Traube von Menschen, die alle wissen wollen, woher wir kommen, was wir hier suchen und wer wir überhaupt seien. Es gab Tee, jede Menge Sprachbarrieren und ein großes Hallo. Einer, der ein bisschen überdreht war, meinte, er würde uns jetzt sofort einen Bus verkaufen, er hätte da ein ganz tolles Exemplar, aber das stünde bei den Pyramiden in Haram. Wir sollten bei ihm einsteigen, er würde uns da hinbringen. Wir haben es dann umgedreht, er stieg bei uns ins Auto und wir sind dann in Richtung Pyramiden aufgebrochen. Irgendetwas wollte er uns sagen, verstanden haben wir allerdings nichts.
Macht aber nichts, dann der Bus war auch nichts Besonderes, und so aus dem Stand kauft man so ein Auto auch nicht.

 
Es ist dann auch immer gar nicht so leicht, aus solch einer Situation wieder herauszukommen. Man möchte ja auch nicht unhöflich sein, oder dem Gegenüber vor den Kopf stoßen. Irgendwann saßen wir dann wieder im Auto, worüber ich ganz froh war. An diesem Tag habe ich viel gelernt.
Jetzt war erst einmal Ruhe, bis irgendwann eine Whatsapp des Schulleiters kam: Mohamed Fox hat sich gemeldet, er hat ein passendes Fahrzeug gefunden, es musste alles ganz schnell gehen, er hat gleich zugeschlagen. Malefiz. Mit Mohamed hatte ich nicht mehr wirklich gerechnet. Mabrouk. Und der Wagen ist wirklich gut.


Ein Westfalia ist hier wirklich selten, den findet man nicht an jeder Ecke. Es lief alles glatt über die Bühne. Mein Jagdinstinkt war geweckt.
Bei der Anlieferung war ich dann dabei und habe Mohamed beauftragt, nach einem Bus für mich zu suchen. Das sollte allerdings nicht so reibungslos über die Bühne gehen wie beim Westfalia.

Erst mal passierte gar nichts, dann kam das erste Angebot:





Das hat mich jetzt nicht so vom Hocker gehaut. Wahrscheinlich hat er das schon vermutet, denn er hat gleich gemeint, wenn der nichts ist, sucht er weiter. Besser ist das.

Dann kam Nummer zwei. Der war besser, aber der sich aufbäumende Spachtel am Heck und die fehlende Versteifung links unterhalb der Motorraumklappe verhießen nichts Gutes.






Den fand ich schon mal ganz ok, wollte aber noch mehr Auswahl haben. Da wurde die Kommunikation dann langsam auch so ein bisschen frostiger. Ich glaube, das hatte er sich einfacher vorgestellt. Aber Nummer drei folgte relativ zeitnah.








Auch ganz ok, aber irgendwie nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Langsam beschlich mich aber auch das Gefühl, dass meine Ansprüche vielleicht ein bisschen hoch waren. Ich wollte einen Bus in gutem Erhaltungszustand. Ob ich den aber bekommen konnte, wenn so ein Fahrzeug mit 40 Jahren wahrscheinlich drei viertel seines Lebens in Ägypten verbracht hat? Dafür waren die angebotenen eigentlich schon recht gut. Da Mohamed auch zunehmend seinen Unmut über meine Ansprüche äußerte, habe ich eine Kollegin gebeten, ihm zu erklären, worum es mir eigentlich ging. Ich wollte mehrere Fahrzeuge zur Auswahl haben, so richtig war bislang noch nicht dabei, was ich mir vorgestellt hatte. Der Ton auf WhatsApp wurde noch ein bisschen frostiger und ich merkte schon, dass ich meinen Spielraum nicht mehr lange ausweiten konnte.
Aber Raum für Nummer vier war noch.





Ich wollte noch ein paar Detailfotos und dann brach der Damm. Es kamen weinende Smileys und herzzerreißende Nachrichten. Seit Tagen suche er für mich nach Bussen und keiner sei mir gut genug. Er könnte das nicht mehr länger machen, ich sollte mich für einen entscheiden oder es bleiben lassen. Hier kollidierten eindeutig deutsche und arabische Vorstellungen von Perfektionismus. Das tat mir auch Leid, aber so ganz geschenkt sind die Fahrzeuge auch für uns Ausländer nicht und dann musste das auch halbwegs passen. Die Situation war angespannt, das war nicht zu verleugnen. Eines ist auf jeden Fall klar: ohne diesen interkulturellen Zusammenstoß wäre das Ganze am Ende wahrscheinlich nicht gut ausgegangen. Ich habe eingewilligt, mir den letzten Bus anzuschauen. Mir war aber auch klar, dass ich deutliche Abstriche machen muss.
Etwas zähneknirschend habe ich einer Besichtigung zugestimmt. Folgendes Kartenmaterial diente als Grundlage für die Navigation in Richtung Faysal Straße in Haram.


Der Besichtigungstermin war für vier Uhr nachmittags vereinbart, direkt nach der Schule. Ich habe noch meinen Nachbarn und Kollegen gefragt, ob er mitkommt, da er auch Interesse an einem T2 hat. So weit so gut. Um 13.45 Uhr klingelte das Telefon. Mohamed war dran. Glücklicherweise saß gerade eine ägyptische Kollegin neben mir, der ich das Telefon in die Hand drücken konnte. Der Besitzer des letzten Fahrzeugs meldet sich nicht mehr, der deal sei geplatzt. Ich soll aber trotzdem kommen, er hätte bereits den nächsten am Haken und den sollte ich mir anschauen bevor er lackiert wird. Das klang spannend.
Wir kamen zwar pünktlich los, haben aber eine Abzweigung auf der Ring Road verpasst. Google Maps ist nicht immer so genau hier und kann in der Regel nicht unterscheiden, auf welcher der verschiedenen Straßenebenen man gerade fährt. Wir sind dann schnell in einem Baladi, also einem Wohnviertel gelandet. Hier geht es für europäisches Verständnis wild zu, in diesem besonderen Fall war stellenweise die ungeteerte Straße nicht mehr vorhanden. Elhamdullilah hat Franz einen Jeep, der hat das Loch mit einem halben Meter Tiefe gut durchfahren. Und Live-Standort ist auch was Feines. So konnte uns Mohamed lotsen.


Irgendwann kamen wir dann auch ungefähr dort an, wo wir uns treffen wollten. Von Mohamed keine Spur. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu dem Cafe, in dem wir uns treffen wollten, durchzufragen. Plötzlich kam ein weißer T2 in wirklich tollem Zustand angefahren. Mohamed und sein Cousin saßen drin. Wir sollten ihnen folgen.


Das Cafe hieß Malumba oder so. Wirklich nett, wir waren laut Aussage die ersten Europäer, die es jemals betreten haben, entsprechend groß war die Begeisterung. Auf beiden Seiten. Es folgte der obligatorische Tee, begleitet von den obligatorischen vielen Zigaretten und Freundschaftsbekundungen. Die Chemie stimmte, wir waren jetzt auf derselben Linie. Ich wusste immer noch nicht, was mich erwarten würde, aber das war jetzt auch erst mal ganz egal.

 
Nach einer guten halben Stunde hieß es, der Wagen sei da. Die Spannung stieg, ich bin natürlich gleich raus. Voila!





Der war genau nach meinem Geschmack. Das konnte natürlich keiner verstehen, aber wann hat man schon einmal die Gelegenheit, einem Auto so aufs Blech zu schauen? Der muss den auch direkt aus der Lackierkabine gezogen haben. Herrlich. Kurze Probefahrt gemacht, einige technische Mängel entdeckt, aber ich war gefangen. Das sollte mein Auto werden. Bingo. Vorbereitet war der für eine weiße Lackierung, aber ohne mich. Die Originalfarbe war schnell ausgemacht, die sollte er wieder bekommen.



Das war jetzt aber gar nicht so einfach. Denn der Preis war für weiß vereinbart. Und außerdem würde niemand einen blauen Bus kaufen, sollte ich doch noch abspringen. Ich habe also hoch und heilig versprochen, dass ich den Bus auch nehme, was Mohamed mit seinem für ihn typischen und nüchternen "Oki" quittiert hat. Der Deal war fix.
Die kommenden drei Tage war ich dann auf Klassenfahrt, am Donnerstag Mittag sollten die Osterferien beginnen, für Donnerstag Nachmittag war die Übergabe vereinbart.
Donnerstag am späten Vormittag kam dann auch der erste Teaser:


Geile Farbe! Aber Moment mal, der ist noch keine 24 Stunden lackiert und bekommt schon die erste Wäsche??? Da muss man jetzt wirklich schmerzfrei sein, aber das bin ich ja. Ich konnte es kaum erwarten. Kurz vor Schulschluss ist mir zufällig noch unser Behördenbeauftragter über den Weg gelaufen, ein Wink des Schicksals. Ich habe ihm von dem Kauf erzählt und gleich mal vorgewarnt, dass ich seine Hilfe brauchen werde.

Um kurz vor fünf Uhr war es dann so weit. Der blaue Bus kam an der Schule um die Ecke gebogen.








Was für ein schönes Teil! Die Lackierung ist wirklich gut geworden. Es gab wirklich jeden Grund zum Lachen!


Allerdings ist mir und den anderen beiden das Lachen dann aber schnell vergangen. Mohamed berichtete von Problemen. Wir wussten, dass der originale Motor nicht mehr verbaut ist. Der lag als leerer Block im Kofferraum. Da kam mal ein Austauschmotor rein. Selber Kennbuchstabe, also absolut kein Problem möchte man meinen. Ist es wohl auch nicht, bis man den Wagen verkauft. Dann muss man nachweisen, wo der Austauschmotor herkommt und das war in diesem Fall nicht so einfach. Wie ich von Mohamed erfuhr, hatte ihn unser Behördenbeauftragter gleich mittags noch angerufen und ihn auf das Problem aufmerksam gemacht. Die order war, dass kein Geld über den Tresen geht, bevor das nicht geklärt ist.
Ich bin nachts noch nach Deutschland geflogen und so blieb mir nichts anderes übrig, als den schönen Bus nach all den Anstrengungen der vergangenen Wochen wieder abfahren zu sehen. Das war jetzt nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt hatte. Es war vereinbart, dass wir den Kauf am Tag nach meiner Rückkehr über die Bühne bringen. Das waren 10 Tage. Aber es sollte noch besser kommen...   





2 Kommentare:

  1. Warum sind denn bei allen Bussen deutsche Kennzeichen dahinter geschraubt?

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  2. Weil die Menschen hier eine sehr hohe Meinung von Deutschland haben. Ganz viele Autos haben unter ihren regulären Nummernschildern deutsche angebracht. Damit verbinden sie Qualität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit.

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