Dienstag, 5. November 2013

Und dann wurde es doch nochmal Ägypten !

Ganz ehrlich: ich habe mich da diesmal durch die Medien und die aktuelle Berichterstattung fast ein bisschen beeinflussen lassen. Von dem her wusste ich diesmal nicht so wirklich, was mich in Ägypten erwarten würde. Dass vieles hier überzogen und mit punktueller Dramaturgie dargestellt wird, war mir schon klar, dennoch hat sich im Land in den vergangenen sechs Monaten einiges getan, das lässt sich nicht leugnen. Das Auswärtige Amt spricht nach wie vor eine Teilreisewarnung aus und auch sonst gibt es immer wieder mal den ein oder anderen Zwischenfall. Trotzdem habe ich relativ kurzfristig den Flug gebucht. Und ich habe es absolut nicht bereut.  
Ich konnte mir ja nicht vorstellen, dass die Lufthansa einen noch kleineren Flieger nach Kairo schickt als sie dies in den letzten zwei Jahren ohnehin schon tut, aber sie tut es und reagiert damit sicherlich auf die gesunkenen Fluggastzahlen. Deutsche haben wir im Flieger ohnehin nicht viele gesehen und das zur Hauptreisezeit im November. Unbequem war es auch ...


In Kairo angekommen (diesmal mit Koffer) gab es dann gleich mal die erste Überraschung. Die war aber positiv, denn der bestellte Mietwagen war nicht verfügbar und so habe ich ein Upgrade über mehrere Klassen erhalten. Aus Renault Clio wurde Kia Carensis.


Der war schon mal sehr ägyptisch, einige Außenteile haben gefehlt und wie das so ist war der auch über und über mit Kratzern und Dellen übersäht. Sehr gut, ich habe zwar in Ägypten noch nie einen Kratzer oder eine Beule in ein Auto gefahren, angesichts der dortigen Verkehrsverhältnisse ist das aber reines Glück, das hat man nicht im Griff. Auf jeden Fall war der Angestellte von Europcar sehr genau und hat alle Schäden minutiös dokumentiert. Alleine das hat 10 Minuten gedauert.


Als das hinter uns lag, ging es durch das dichte Gedränge in stop and go - Manier direkt in die Innenstadt in unser Hotel. Kurze Pause und dann gleich weiter an den Tahrir. Für den Tag war eine kleinere bis mittlere Demo angesagt, angeblich hat die auch stattgefunden, gesehen haben wir aber nichts. Überhaupt, der Tahrirplatz war sehr ruhig, ja fast schon friedlich.


Anschließend ging es weiter an den abendlichen Nil und die Corniche. Das Militär zeigt schon immer wieder eine deutliche Präsenz, so wurden beispielsweise auf dem Rückweg vom Nil ohne Vorankündigung plötzlich alle Zufahrten zum Tahrir mit Panzern versperrt, die Straßen blockiert. Es gab aber keine Anzeichen von Unruhe oder Unregelmäßigkeiten, wir sind dann selbst zwischen den Panzern durch, es blieb uns ja nichts anderes übrig nachdem sie U-Bahnstation und somit auch die Unterführungen seit dem Umsturz im August gesperrt sind. Genau so schnell wie sie kamen sind sie dann offenbar auch wieder weg, der Verkehr lief auf jeden Fall kurz darauf wieder normal.
Für den Tag hatten wir dann gleich mal noch ein straffes Programm. Wir haben uns mit Nora und ihrer Mutter im legendären Cafe Riche getroffen. Das war ein sehr schöner Abend.


Ich spare meine Friseurbesuche ja immer für meine Besuche im Orient auf, ich finde, es gibt nichts Spannenderes als nen Friseurbesuch in der arabischen Welt. In Kairo habe ich ja bekanntermaßen schon meinen Stammfriseur, diesmal durfte dieses Erlebnis nicht nur ich, sondern auch mein Vater erfahren. Hier wurde dann auch gleich mal klar, wie die Welt sich in Ägypten so dreht. Der Friseur wollte den Ventilator einschalten, da war aber der Stecker kaputt. Also wurde dieser zerlegt und nachdem keine Reparaturlösung geklappt hat, wurden die Drähte einfach mal so in den Mehrfachverteiler der Steckdose gesteckt. Unter Funkenflug haben sich diese immer wieder mal gelöst, dann muss man sie halt erneut reinstecken.


Am nächsten Tag habe ich dann erst einmal den Blick aus dem Hotelzimmer genossen ... und das meine ich jetzt durchaus ernst. Einfach nur klasse !



Für zehn hatte ich einen Termin mit der Schulleitung an unserer Partnerschule. Im Dezember kommt eine kleine Schülergruppe nach Deutschland und da gab es noch die letzten Absprachen zu treffen. Es gibt da ja immer Dinge, die sich am Telefon oder per Mail eher schlecht besprechen lassen. Meine Eltern haben unterdessen eine Schulführung bekommen. Bei fünf Schulen (International, Deutsch, Britisch, Amerikanisch und Französisch) waren die da auch gut beschäftigt.


Anschließend gabs dann noch nen kleinen Plausch mit den Kollegen dort ...


Die Schule liegt außerhalb in der Nähe des Flughafens und hier sieht man ganz schön, wie die Satellitenstädte außerhalb aus dem Boden gestampft werden um dem Wohnraumbedarf der rasch wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden ... oder auch nicht.


Ich habe versucht, in die wenigen Tage Kairo möglichst viel hineinzupacken und so war für nachmittags der Besuch des Khan Kalili und Altkairos geplant. Richtung Isamailia an die Schule haben wir noch ganz gut gefunden, auf dem Rückweg allerdings habe ich eine Abzweigung übersehen und dann ging es dahin. Selbst mit GPS habe ich so die Orientierung verloren, dass nur noch eines blieb: Taxi anhalten, Vater reinsetzen (dass er den Taxifahrer einbremst, in Kairo hat man schnell ohne etwas zu tun oder bummelig zu sein fünf Autos zwischen sich und dem Taxi und man merkt das erst wenn das Taxi nicht mehr zu sehen ist) und hinterher. Hat gut funktioniert - wie üblich.
Nach ner kurzen Mittagspause konnte es dann zum Khan Kalili gehen. Ich hatte nen spontanen Einfall und so haben wir im Anschluss noch die Husain Moschee besucht. Da war ich noch nie drin, wusste also auch nicht, dass die Mutter - nachdem ich sie am Fraueneingang abgesetzt hatte - den Hauptraum der Moschee gar nicht betreten konnte und sich plötzlich zwischen betenden Ägypterinnen wiederfand. Die waren aber recht nett, meinte sie zumindest.
Über den nichttouristischen Teil des Bazars ging es dann zum Bab Zuweila und über das anschließende Wohnviertel und den Ataba-Markt zurück zum Hotel. Letztere bieten einen - zumindest für Neueinsteiger - recht interessanten Einblick in das hektische Treiben und die für uns doch recht ungewohnten Lebensumstände in Kairo.



Der folgende Tag ist eigentlich schnell beschrieben. Vormittags ging es mit der Metro ins koptische Viertel und nachmittags zu den Pyramiden. Die Abfänger stehen immer noch an der Pyramidenstraße und wollen einem verklickern, dass die hintere Zufahrt gesperrt ist. Ich sage denen mittlerweile immer, dass ich nach Alexandria will und dann geben sie Ruhe. Direkt bei der Auffahrt zum Pyramidenplateau stehen auch immer noch ihre Kollegen und blockieren die Straße. Draufhalten, hupen und dann springen sie schon auf die Seite. 
Als erstes fällt auf - wie übrigens bislang in ganz Kairo - dass erst einmal gar nichts auffällt. Normalerweise ist es dort ziemlich voll, Touristen haben wir diesmal aber weitestgehend vermisst. Umso unangenehmer waren die allseits gefürchteten Verkäufer und diesmal seit langem auch wieder die "Sicherheits"kräfte. Fünf Prund für die harte Arbeit des Auto durchsuchens, fünf Pfund für die fehlende Zufahrtsgenehmigung auf das Plateau, die es gar nicht gibt, fünf Pfund für das Aufpassen auf das Auto während wir bei der Sphinx waren. Wie vor der Revolution. Nervig. Dafür hatten wir die Kulisse fast für uns alleine ... nur genießen kann man das unter den Umständen nicht wenn man permanent irgendwelche Kameltreiber ignorieren muss, die einen auf allen Sprachen, die sie kennen, einen Kamelritt aufschwatzen wollen.


Abends haben wir uns dann noch mit Mohamed im Restaurant Felfela getroffen und ein bisschen über die aktuelle Situation und die Ereignisse der letzten Monate geratscht. Er war beim Marsch der Millionen Ende Juni fast durchgehend dabei, war sehr interessant ...


Am Folgetag war dann die Fahrt über den Sinai zu Samer und Elena vorgesehen. Die Woche zuvor gab es einen unschönen Vorfall in Tur Sinai, einem Ort, der direkt auf der Strecke liegt und auch sonst waren die Meinungen zum Sinaitransit eher gespalten. Dennoch hielt ich das Risiko für kalkulierbar, habe jedoch einige Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Da ich dank Nora eine ägyptische SIM-Karte ergattern konnte, habe ich mich entschieden, dass ich mich tracken lasse - nur für den Fall der Fälle. In Deutschland saß ein Freund, der die Reisen mittlerweile immer mitverfolgt und dem ich je nach Land und Lage dann auch regelmäßig Bericht erstatte. Man sollte allerdings darauf achten, dass es auf dem Armaturenbrett schnell recht heiß werden kann und sich dann das Handy zum Schutz ausschaltet. Deswegen fehlt da eine ganze Teilstrecke ...

   
Wer sich jetzt wundert wieso ich da so einen Haken gefahren bin, die schnellere Hauptverbindungsstrecke über Nekhl ist schon seit über einem Jahr für Ausländer und zeitweise sogar für die Einheimischen gesperrt und so bleibt nichts anderes übrig, als den längeren Weg über Sharm zu nehmen, der fast 250 Kilometer Umweg bedeutet. Die Strecke ist allerdings auch ganz gut in Schuss und so kann man da auf der Landstraße eigentlich ganz gemütlich mit 140 dahinfahren - bei 90 erlaubten km/h. Im Straßenverkehr kann man sich in Ägypten ohnehin so verhalten, dass man in Deutschland dafür ohne weitere Vorwarnung gleich zur MPU müsste. Kurz vor Sharm habe ich in einer Kurve bei erlaubten 80 km/h, Überholverbot und doppelt durchgezogener Linie mit 130 ein Auto überholt. Der trockene Kommentar meines Vaters:" ich glaube, das war die Polizei". Ich: "das erklärt dann auch wieso der mir die Lichthupe gegeben hat." 

Wir sind dann nach fast neun Stunden gut in Nuweiba-Tarabin angekommen und ich konnte rückblickend feststellen, dass der Sinai wieder fest in der Hand des Militärs ist (zumindest auf der Hauptverkehrsstrecke) und sich mir dort auch wesentlich stabiler dargestellt hat als noch im April.
Das Nakhil Inn ist für mich wie der Eintritt in eine andere Welt, das ist auch der einzige Ort, an dem ich mal komplett abschalten kann. Nicht zuletzt deswegen, sondern auch wegen der familiären Atmosphäre und der absoluten Ruhe zieht es mich dort immer wieder hin.


Diesmal gab es auch eine vorübergehende Neuerung, der Koch hatte zum ersten Mal Urlaub und so wurde kurzerhand entschieden, dass die Besitzer samt eines extra aus Sharm angereisten Freundes den Kochpart übernehmen werden. Ich war ehrlich gesagt anfänglich etwas skeptisch, das hat sich aber sehr schnell gelegt. Es war einfach genial. Viele Gäste waren nicht anwesend und so sind wir abends zusammengesessen, haben gemeinsam gegessen, hatten viel Zeit zum Reden und das ganze ist in einer sehr familiären Atmosphäre abgelaufen. Darüber hinaus war das Essen auch echt lecker.
Nach einem Tag Ruhe am Strand war für den zweiten Tag dort dann etwas Bewegung angesagt. Samer hatte die Idee, dass wir mit den einheimischen Beduinen auf eine Wüstentour gehen. Ein absolut genialer Einfall. 
Die Polizei hätte uns die Genehmigung hierzu nicht gegeben, also mussten wir den Checkpoint umfahren und sind direkt durch die Berge. Das klingt jetzt vielleicht etwas verantwortungslos, man muss aber wissen, dass die Polizei in Ägypten teilweise nicht sehr effektiv arbeitet und deswegen lieber präventiv tätig ist als anschließend eine für sie aussichtslose Suchaktion zu starten. Darüber hinaus haben die Beduinen auf dem Südsinai vor kurzem entschieden, dass sie nun die Sicherung dort übernehmen, da sie diese der Polizei nicht wirklich zutrauen. Dementsprechend sind dann auch in regelmäßigen Abständen Posten positioniert, die beobachten, wer sich wann und wo zu schaffen macht und ob derjenige auch dazu befugt ist. Nicht zuletzt der Ruf, den sie allgemein genießen, schreckt schon ab. Im Übrigen kam auch jeden Abend ein Beduine in unser Hotel und ist dort die ganze Nacht geblieben um sicherzustellen, dass es auch dort ruhig bleibt. 
     
Aber zurück zur Wüstentour. Wir hatten ausreichend Getränke in allen Variationen in einer Kühlbox dabei.


  Und dann ging es los auf eine der beeindruckendsten Wüstentouren, die ich jemals gemacht habe. 





Vorbei an ehemaligen Überwachungsposten, die noch aus der Besetzung des Sinai durch Israel stammen ...


... durch atemberaubende Landschaften ...


... an frohem Farbenspiel vorbei ...


... über Stock und Stein ...




... mit viel Spaß und Blödsinn unterwegs ...


... auf den Gipfel.


Alpenvereinskonform war das nicht ... teilweise war kein richtiger Weg vorhanden, teilweise ging es auf wenig befestigtem Untergrund steil in die Tiefe und zwei der Ägypter hatten bergtauglich ihre Flip Flops an. Kurzum: es war ein Heidenspaß aber wir sind alle beim Beduinen angekommen, der bereits zur Stärkung Tee gekocht und Brot gebacken hatte. 


Nach der wohlverdienten Ruhepause ging es dann wieder heim ins Paradies, nicht aber ohne dass sich die Beduinen und Samer den Spaß erlaubt haben, den Rückweg auf der ganz normalen Straße zu nehmen und die Polizei damit mehr als zu verwirren. Kurzer Schlagabtausch, der zugunsten der Beduinen gewonnen wurde, und es ging mit einem breiten Grinsen im Gesicht der Einheimischen zurück nach Tarabin.

Am nächsten Tag war dann wieder Strand angesagt, es kam überraschender und netter Besuch von Sulman, einem Angehörigen des benachbarten Beduinenstammes. Bei einer Tasse Tee haben über die jüngsten Entwicklungen auf dem Sinai gesprochen. 


Bis dahin war alles noch ganz gemütlich aber dann wurde es ungemütlich. Wir hatten ja eigentlich vorgehabt, den Rückweg nach Kairo mit dem Flugzeug zu vollziehen. Diese Entscheidung fiel aber erst nachdem der Flug Kairo-München gebucht war und so wurde Sharm-Kairo separat gebucht. Ich wollte da schon lange mal ausprobieren, hatte mir aber auch immer die Frage gestellt was passiert, wenn der Flug von Sharm aus kurzfristig gecancelt werden würde. Na ja, genau das ist passiert. Wir wurden auf den späteren Flieger umgebucht, dessen Ankunftszeit überschnitt sich aber genau mit dem Boardingbeginn des Heimfluges. Etliche Telefonate später war klar, dass wir mit dem Auto zurückfahren müssen. Also musste der Mietwagen auch wieder umgebucht werden. Sonderlich begeistert war ich nicht. Erstens fahre ich die Strecke nur sehr ungern unter Zeitdruck, da man hier nie weiß, was einen unterwegs erwartet. Da sind die strengen Kontrollen am Sueztunnel mit kilometerlangen Staus noch gar nicht mal das Hauptproblem. Hierfür hatten wir auch einen Masterplan für den Fall der Fälle, der uns die Warterei mit etwas Geschick erspart hätte. Ich wusste, dass einer der Gäste, eine Ägypterin, auch am nächsten Tag nach Kairo wollte und so haben wir sie kurzerhand einfach mitgenommen. Jemand, der die Landessprache beherrscht, ist nie verkehrt. 
Also ging es am folgenden Morgen um fünf mit ausreichend Zeitpuffer los in Richtung Sharm el Sheikh. Bis Al Tur lief alles bestens, am Ortsausgang war jedoch eine lange Schlage. Prima. Offenbar sammelt man hier für eine Polizeieskorte. Das kann schon mal bis zu zwei Stunden dauern, bis man da weiterkommt. Aber es kam mir Kommissar Zufall zu Hilfe. Von hinten sah ich plötzlich einen schwarzen Mercedes neueren Baujahres an der Schlange vorbeirauschen. Dem bin ich hinterher - entgegen dem wilden Gefuchtel der wartenden Ägypter, dass ich das lieber lassen sollte. Der Mercedes war schwarz, unser Auto war schwarz, wir haben am Schlagbaum gehalten, der diensthabende Offizier ist aus seinem Häuschen gesprungen, hat den Diener gemacht, den Insassen hinten begrüßt und dann ist der Mercedes abgerauscht - und wir hinterher. Ich habe noch freundlich gewunken, es wurde freundlich zurückgewunken und wir waren durch. Es ist niemandem aufgefallen, dass ich da gar nicht dazugehöre. 
Beim nächsten Checkpoint mussten wir dann aber wirklich auf die Eskorte warten. Es hat aber diesmal nur zehn Minuten gedauert. Natürlich bin ich dem Polizeiauto nicht hinterhergekommen, ich wollte nicht schneller als 150 fahren, da die Landstraße dann auch nicht immer so makellos ist. 

Am Suezkanal war vergleichsweise wenig los, wir mussten etwa eine halbe Stunde warten. Die Kontrolle war diesmal sehr streng aber auch die haben wir überstanden. 

Abschließend lässt sich festhalten, dass ich durchaus erstaunt war angesichts der empfundenen Stabilität und Sicherheit, die sich uns dargestellt hat. Entgegen der Berichte in unseren Medien hatte ich sogar das Gefühl, dass die Lage noch wesentlich stabiler und weniger anarchisch ist als sie es noch im April war. Es ist wieder relativ viel Polizei auf der Straße, auch wenn die nicht immer ernst genommen wird, alleine die Präsenz macht schon einen Unterschied. Das Militär zeigt auch, dass es präsent und jederzeit einsatzbereit ist. Die Menschen sind nach wie vor unschlagbar freundlich, hilfsbereit und entgegenkommend. Aber auch von offizieller Seite aus (mal von ein paar Land- und Touristenpolizisten abgesehen) zeigt man sich von seiner besten Seite. Die Menschen verstehen nicht, wieso die Touristen ausbleiben und ich ehrlich gesagt nach meinem letzten Aufenthalt auch nicht.

Donnerstag, 29. August 2013

Einmal Afrika und zurück - Tunesien 2013

Eigentlich wollten wir ja nochmal nach Ägypten - angesichts der aktuellen Situation hätte man diese Reise aber intensiver planen müssen als ich das wollte und so haben wir das verschoben. Ein alternatives Reiseziel musste gefunden werden. Der Balkan mit Albanien war in der Überlegung, ebenso die Türkei.  Beide Regionen haben wir schon bereist, die Letztere sogar relativ intensiv. Irgendwie kam mir dann die Idee, einen Teil der "Restschuld" von 2009 zu begleichen als wir am Libyentransit gescheitert sind und somit auch Tunesien entfallen musste. Und dann ging es ganz schnell: Auto zugelassen, Fähre gebucht und Etappenziele festgelegt. Nachdem das erledigt war ging es auch in Tunesien nach der Ermordung des Oppositionspolitikers Brahmi mit neuen Protesten los. Also mussten wir doch die Lage beobachten und gegebenenfalls darauf reagieren. Gefahren sind wir dann trotzdem, es gab in unseren Augen keinen Grund, dies nicht zu tun.
Also ging es am 15.8. nachts um elf los in Richtung Genua. Wie so üblich und wie wir das gewohnt sind war die Einschiffung in Italien eine absolute Katastrophe: unorganisiert, chaotisch und langwierig. Die Fähre war aber auch relativ voll, dementsprechend platzeffektiv wurde geparkt.

  
Die Überfahrt verlief ohne Probleme und trotz vierstündiger Verspätung bei der Abfahrt sind wir rechtzeitig angekommen. Bereits vor dem Anlegen in Tunis hatte ich angesichts der ganzen Formulare, die ausgefüllt werden mussten schon so meine leichten Bedenken wie das mit der Einreise wohl werden würde.


 Die Bedenken waren absolut unbegründet, so schnell bin ich selten in ein arabisches Land eingereist. Im Gegensatz zu Italien war das alles echt gut organisiert mit mehreren Fahrstreifen. Ganz anders als erwartet waren Polizei und Zoll nett, freundlich, ehrlich und nicht korrupt. Ruckzuck, zackzack und alle Stempel waren im Pass. Einen hatte ich vergessen, auch kein Problem, mir wurde genau erklärt wohin ich zu gehen hatte. "Ahlen wa sahlen" und wir waren drin.
Die ersten beiden Tage wollten wir in Tunis verbringen. Und die überraschende Erkenntnis war: man kann hier kommunizieren. Also ich nicht aber meine Frau, die des Französischen mächtig ist. Wir haben das Hotel nicht gleich gefunden, also wurde eine Polizistin gefragt und dann kannten wir den Weg. Nichts mehr mit schlechten Google Maps Ausdrucken, Hand und Fuß, arabisch und halbenglisch.
Tunis ist eine sehr schöne Stadt, von Unruhen war nichts zu spüren, ganz im Gegenteil, die Menschen waren sehr freundlich und entspannt. Am Platz der Märtyrer des 14. Januar 2011 und in der Habib Bourguiba sind zentrale Bereiche mit Barrieren und Stacheldraht abgesperrt, ebenso ist die Polizeipräsenz im Gegensatz zum restlichen Land deutlich erhöht aber das wars dann auch schon. Wir haben dort mehrere Male Kaffee getrunken, zu Abend gegessen etc.

 


Tunis ist eine schöne Stadt, deutlich kolonial geprägt mit einer bezaubernden Medina und einem ganz netten, wenn auch teilweise etwas touristisch geprägtem Suq. Diese Bereiche haben wir schnell durchschritten ...





Wie so üblich habe ich meinen dringend notwendigen Friseurbesuch auf Tunis verschoben. Als der erledigt war (wir waren da fast ne Stunde drin, haben noch ein Pläuschchen gehalten) konnte es weitergehen zum nächsten Ziel: Kairouan.



Wenn man den Küstenbereich verlässt, wird die Landschaft zunehmend steppen- und wüstenartiger, der Einfluss des Regens lässt sichtlich nach.


Kairouan, die heilige Stadt, verfügt über die ältesten Moscheen des Landes, seit der Revolution 2011 gilt sie zudem als Hochburg der Salafisten. Die Stadt ist sehr schön, irgendetwas war da aber, das mich etwas in Hab-Acht-Stellung versetzt hat, ich kann aber nicht sagen was es war. Trotzdem haben wir den Aufenthalt genossen.

 





Bislang war mir Tunesien fast etwas zu unorientalisch, zu geordnet, der Straßenverkehr ist weitaus weniger chaotisch und lustig als ich das aus anderen Ländern der Region kenne. Je weiter man aber in das Land vordringt, so besser wird das und in Kairouan konnten wir bereits einen ersten Eindruck dahingehend gewinnen, was uns die kommenden Tage erwarten sollte. Etwas abseits der ausgetretenen Touristenpfade im Marktbereich sieht die ganze Sache schon wesentlich besser aus ;-).



Hier hatten wir dann auch etwas Kontakt mit Einheimischen. Wie gesagt, je weiter man in das Land vordringt, um so orientalischer wird es auch. An den Straßenrändern kann man beobachten wie Hammel an Strommasten festgebunden, geschächtet und anschließend ihres Fells beraubt werden. Dieses wird als Zeichen, dass es gegrillten Hammel gibt und dieser auch frisch ist nahe des Drehgrills aufgehängt. Sieht lustig aus.


Spannend sind auch diese, zahlreich vertretenen "Tankstellen" der Freiluftart, das Benzin wird in rauhen Mengen in mehr oder weniger starken Plastikkanistern direkt an der "Zapfsäule" gelagert. Wahrscheinlich kommt das über dunkle Kanäle aus Algerien oder Libyen. Apropos Algerien, die Zigaretten, die in den Geschäften verkauft werden, kommen auch alle aus Algerien und tragen keine Steuermarke ...


An dieser Stelle waren wir bereits mitten auf dem Weg nach Tozeur, dem Tor zur Sahara. Bei der Ausfahrt aus Kairouan ist ein Taxi hupend neben uns hergefahren. Der Fahrer und sein Fahrgast haben beide den Daumen nach oben gehalten und auf unser Auto gedeutet. Die wissen halt, was gut ist ... ;-).

Die Landschaft auf dem Weg nach Tozeur war sehr abwechslungsreich und interessant. Mit zunehmender Nähe zur Stadt wurde auch ganz deutlich, dass wir uns der Wüste nähern.




In der Oase Tozeur sind wir dann nach Ankunft im Hotel erst einmal in Richtung Innenstadt gefahren. Auch hier habe ich unser Auto einfach irgendwo am Straßenrand abgestellt ohne ein schlechtes Gefühl zu haben.


Überhaupt macht das Land einen sehr guten Eindruck, was Sicherheit und auch die Menschen anbelangt. Letztere sind sehr fein, freundlich und offen, die Schlitzohrmentalität scheint wesentlich geringer ausgeprägt als in anderen arabischen Ländern. So waren wir ganz schnell in Begleitung eines "neuen Freundes", der uns durch die Medina von Tozeur geführt hat. Der war sehr nett, ohne ihn hätten wir wahrscheinlich maximal fünf Prozent gesehen und anschließend hat er nicht einmal Geld gefordert und war mit dem zufrieden, das ich ihm gegeben habe.

 



Am folgenden Tag war es dann an der Zeit für eines meiner ganz persönlichen Highlights der Reise. Ich wollte mit dem Syncro in die Sahara. Um das alles etwas entspannter und weniger risikoreich zu gestalten haben wir uns einen einheimischen Führer samt Begleitfahrzeug organisert. Der war angesichts meiner alten Familienkutsche zunächst sehr skeptisch. Dass wir nach Verlassen der Straße und der Einfahrt in tiefsandiges Gelände bereits nach 20 Metern feststeckten, hat seine Skepsis nicht verbessert.




Also hat er mich die ersten zwei Kilometer erst einmal in Schlepp genommen. Das Zauberwort hieß aber Differentialsperren. Nachdem die gezogen waren, war ich auf diese fremde Hilfe nicht mehr angewiesen. Das hat er auch bemerkt und langsam begonnen, sichtlich Spaß an der ganzen Aktion zu finden.
So haben wir uns langsam an die Leistungsfähigkeit des Syncro herangetastet, sind mehrere kleinere und mitttlere Dünen sowie Rampen rauf und runter, immer wieder durch tiefsandiges Terrain und nach jeder schwierigen Passage kam der hochgestreckte Daumen von vorne aus dem Fahrerfenster des Jeep.



Kleinere Schäden blieben natürlich auch nicht aus  ;-).



Irgendwann hat dann der Führer gemeint, ich soll mal mit seinem Jeep fahren um zu sehen, was es da für Unterschiede gibt. Habe ich gemacht und ich habe sie gesehen ...





Nach dem Besuch eines Berbercamps haben wir direkt Kurs auf die große Düne genommen, natürlich nicht, ohne uns vorher wieder vorsichtig an die Grenzen des Syncro heranzutasten. Die haben wir dann auch erreicht und entschieden, dass er die große Düne nicht befahren wird: er war bis zum Auspuff im Sand.

  
Die wäre aber auch steil gewesen, da hatte der Jeep schon so seine Probleme und musste trotz guter Untersetzung zwei Anläufe nehmen um die zu erklimmen. Von dem her war ich gar nicht so traurig ...



An dieser Stelle waren wir dann ziemlich nahe an der algerischen Grenze, sollten aber noch wesentlich näher ranfahren. Nächster Stopp war Tantooine, die Filmkulisse von Star Wars. Ich kann mit Science Fiction nicht viel anfangen, interessant war es aber trotzdem.



Anschließend ging es wieder durch einige Sandpassagen und durch die Wüste in die Oase Nefta, wo ich mir ein paar Schrauben gekauft habe um die abgerissene Stoßstange wieder zu befestigen. Die Oase selbst haben wir natürlich auch besichtigt, sie gleicht von der Architektur her sehr Tozeur.



Als Bonus sind wir dann noch 15 Kilometer weiter Richtung Algerien in die Nähe der Dune des Sables. Hier darf man aber nicht weiterfahren, sondern muss ein Kamel nehmen. Das wollten wir nicht und so haben wir uns damit begnügt, die Tiere aus der Nähe anzusehen.


Nun hieß es langsam auch Abschied nehmen, nicht jedoch bevor die Telefonnummer ausgetauscht waren. Ich möchte noch einmal dorthin fahren und der Führer war super !


Die letzten Tage standen dann eher im Zeichen der Erholung. Wir nahmen Kurs direkt auf Hammamet, wo wir ein ganz nettes Hotel gebucht hatten. Vorher mussten die 500 Kilometer zurück jedoch erst einmal bewältigt werden. Wir haben immer wieder mal gehalten um uns unters einheimische Volk zu mischen und nen Kaffee zu trinken. Irgendwann hatten wir dann mal Hunger und haben in diesem "Restaurant", "Imbiss" oder was es auch immer war, gehalten.


Der war urig, die Speisen wurden alle ausschließlich mit den Fingern zubereitet und währenddessen wurde die Decke mit Ölfarbe gestrichen, eventuelle Tropfen wurden als normaler Ausschuss betrachtet. Cool !

Beim Hotel in Hammamet bin ich nach wie vor gespalten. Es war sehr schön aber so ein typisches TUI- und Neckermann-Kooperationshotel. Sprich: es gab viele Deutsche und das ist jetzt nicht so direkt das Klientel, das ich gerne auf meinen Reisen treffe. Nun gut, ich will mich nicht beschweren, ich habe das weitestgehend ignoriert und der Service war top. Mit dem ober habe ich auch gleich eine arab Übereinstimmung gefunden, was die Menge und das Bezahlen der Getränke anbelangt. Passt !


Strand und Pool sind ja jetzt auch nicht so unbedingt unser Ding, also schon, aber nicht wenn man sich diese Bereiche mit 500 anderen Touristen teilt und so sind wir immer wieder mal in die nähere Umgebung gefahren. So zum Beispiel in das Zentrum von Hammamet, das sehr sehenswert, wenn auch sehr touristisch geprägt ist.




Oder ins nahegelegene Nabeul, das sich wesentlich weniger dem Tourismus untergeordnet hat als Hammamet.


Und dann war es leider auch schon wieder an der Zeit, Abschied zu nehmen. Die Einschiffung in Tunis war im Vergleich zu Genau fast schon deutsch organisiert, straff und durchsichtig. Die Behörden erneut sehr korrekt, freundlich und hilfsbereit. Und das, obwohl die in absoluter Alarmstellung sind angesichts der vielen Flüchtlinge aus Nord- und Zentralafrika, für die ein Schiff diesen gewaltigen Ausmaßes natürlich das Tor in die ersehnte europäische Wunschheimat darstellt. Ein Tunesier, mit dem wir uns auf dem Schiff unterhalten haben hat gemeint, dass dort kürzlich über 50 blinde Passagiere aus allen Ecken und Enden der Fähre gefischt wurden.
Die Fähre selbst war brechend voll, es hat sechs Stunden gedauert bis die 2000 (!) Fahrzeuge verladen waren. Wir sind mit als erste rein und dann natürlich in Genua mit als letzte wieder raus. Das Entladen hat immerhin auch zwei Stunden gedauert. Wir haben uns das Schauspiel von Deck aus angesehen.

Wir waren schon etwas traurig, dass es vorbei war, Tunesien aber auch und hat sich mit Gewitter und Sturmböen verabschiedet ...



 
Eines ist sicher: das war nicht unsere letzte Reise nach Tunesien ! Inshallah !